Grüne Streifen verbinden.

 Tour durch die Stargarder 

Wer schon einmal die Stargarder Straße im Prenzlauer Berg entlang geschlendert ist, dem sind sie bestimmt aufgefallen: jene grünen Streifen mit dem Schriftzug „die stargarder“, die immer wieder die Schaufenster zieren.  Haben Sie sich auch schon mal gefragt, was da hinter steckt? Ein besonders plakatives Standortbekenntnis? Quasi visualisierte Ortsverbundenheit? Die Liebe zur Straße offensiv kommuniziert? So ähnlich. Fast jedenfalls, nicht ganz. Aber irgendwie schon. Selbstorganisierte Bestandspflege – das trifft es eher. Mit Andreas Otto auf nachmittäglichem Streifzug durch die Stargarder Straße.

„die stargarder“ – das ist ein Zusammenschluss ortsansässiger Gewerbetreibender, die sich zum Ziel gesetzt haben, ihren Standort zu stärken, indem sie diesen gemeinsam vermarkten und die nachbarschaftliche Zusammenarbeit vertiefen. Seit Sommer 2013 arbeiten die Akteure vor Ort „Hand in Hand“, um das „illustre[.] Geschäftstreiben in dieser traditionsreichen Straße“ (Zitat: die-stargarder.de) sichtbarer und bekannter zu machen. Denn auch nach Jahren tauche immer wieder die Frage von Kunden auf „Sind sie neu hier?“, so Silke Redmer, eine Vertreterin der Interessensgemeinschaft, die für uns die Tour organisiert hat.

Apropos jahrelang ansässig. Natürlich ließ das Thema explodierende Mieten nicht lange auf sich warten. Es zog sich wie ein roter Faden durch die Gespräche. So manch ein Betrieb musste bereits Steigerungen im mittleren zweistelligen Bereich verkraften. Standortwechsel? Ausgeschlossen. Zu hohe Investitionen. Oftmals ist die Geschäftsaufgabe der letzte Ausweg. Die Folge: Leerstand. Eine ehemalige Arztpraxis in einer angrenzenden Sackgasse ist ein Beispiel für überzogene Renditevorstellungen. Deren wartende Patienten waren in den umliegenden Shops und Cafés gern gesehene Gäste. Eine Neuvermietung scheint derzeit nicht in Sicht. Ein Problem, das für diejenigen Gewerbetreibenden der Stargarder, die Mitglied einer Genossenschaft sind, eher nachrangig ist.

Stoische Gelassenheit im geschäftigen Alltag 

Hier drückt der Schuh allerdings dann auch an anderer Stelle. Stichwort Parkraum(bewirtschaftung) und Lieferverkehr. Nicht nur, dass durch die Umgestaltung der Kreuzungen (Gehwegvorstreckungen) Stellplätze entfielen, ein striktes Regiment jener Menschen, die für Ordnung im Parkraumrevier sorgen, erschwere die Situation zusätzlich, mache eine störungsfreie Anlieferung nahezu unmöglich. Der Schuh drückt nicht nur, er ist schlichtweg zu klein. Die Folge: Blasen und aufgestaute Wut. „Ist jetzt aber halt so, die Situation.“ Hier zeigt sich eine Mentalität, die, nebst freundlicher und gastlicher Atmosphäre, weit verbreitet in der Geschäftsstraße zu sein scheint: Bloß nicht unterbuttern lassen, alles ist irgendwie „Herausforderung“ und will angegangen werden. Man wird damit schon umgehen (müssen), irgendwie.

Ein anderes Kaliber haben da die in letzter Zeit rasant angestiegenen Einbrüche und deren schwerwiegende Folgen für die unternehmerische Tätigkeit. Ein solcher wirtschaftlicher Schaden ist, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kostenfaktor Miete, kaum zu verkraften.

Die erwähnten Gehwegvorstreckungen übrigens sind wiederum Teil der Lösung eines weiteren Problems, das oft angesprochen wurde: mangelnde Stellplätze für den pedalisierten Individualverkehr. Die auf einigen Gehwegnasen verankerten Bügel zum Anschließen von Fahrrädern reichen jedoch nicht aus, um den Bedarf zu decken. Weitere Stellplätze, beispielsweise am Gehwegrand zur Bordsteinkante, könnten zudem die Aufenthaltsqualität ebenso verbessern wie mehr Sitzgelegenheiten und die Sanierung der Gehwege.

Real existierender Elektrokiez?

Neue Schuhe verursachen hin und wieder die gleichen Komplikationen wie zu kleine Schuhe. Urbane Mobilität ohne Verbrennungsmotoren?!?!? Achtung: Blasen. Wunden. Und Wut. Da konnte dann das Argument, neues Schuhwerk trage sich irgendwann ein, auch nichts mehr heilen. Auch der Hinweis auf Maßanfertigungen nicht. Für manchen Unternehmer ist die Vorstellung, einen ganzen Kiez ausschließlich für Elektromobilität freizugeben, der blanke Horror. Eine unnötige Verkomplizierung der ohnehin schon kaum erträglichen Situation bei der Anlieferung von Waren. Bildlich hatte das etwas von barfüßigem Überwinden von Trümmerhaufen aus eingestürzten Neubauten. Einfach nicht praxistauglich.

Die Streulage – Leben im Schatten der Arcarden?

bblblblblbDie Stargarder als Einkaufsstraße hat ihren ganz eigenen Charme. Individuelle Läden, Handwerk und Gastronomie prägen das Straßenbild. Null „Ketten“, null Konzerne. Die angebotenen Waren und Dienstleistungen heben sich vom Mainstream ab. Hier stehen andere Zielgruppen im Fokus als im nahegelegenen Einkaufszentrum. Die Gewerbetreibenden sehen dann auch wenige Schnittmengen zum Center. Ja, nicht alle Bedürfnisse können durch das Angebot vor Ort abgedeckt werden. Hin und wieder ist ein Gang zum Kern des Hauptzentrum Schönhauser Allee unumgänglich. Seit der Schlecker-Pleite gibt es zum Beispiel keine Drogerie mehr. Als „Streulage“ im Sinne einer Zugehörigkeit begreift man sich hier aber nicht. Im Gegenteil, unabhängige Koexistenz. Die Stargarder ist etwas Eigenes, eine ganz andere Lebens- und Geschäftswelt. 

Auf unserer Tour haben wir viele interessante Menschen und Geschäftsmodelle kennen gelernt. Leider konnten wir nicht allen einen Besuch abstatten. Am 27. Juni findet in der Stargarder Straße das dritte Sommerfest der Interessensgemeinschaft statt. Eine gute Gelegenheit, für uns, um an die bisherigen Gespräche anzuknüpfen, für Sie, um sich selbst einmal ein Bild davon zu machen, was sich hinter den grünen Streifen verbirgt. 

Dennis Probst


Start- und Endpunkt des Kiezspaziergangs: upf. Nach einem lecker Kaffee im Laden für Möbel, Leuchten und Wohnaccessoires ging es weiter zur Buchhandlung Moby Dick. Die nächsten Stationen: workshop Max Werk (Heimwerker & Haushaltswaren), Signore Batistin (italienische Feinkost), Kontinentalwaren-Laden (Waren made in Europe).   

 

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