Häuser preiswert dämmen - in Stroh statt in Styropor und Mineralwolle

15.06.22 –

Workshop bauen mit Stroh und Lehm in Verden (Aller).
 
Um die Klimaziele zu erreichen müssen in den nächsten Jahren in Berlin sehr viele Häuser wärmegedämmt werden.
Sollen die nun alle in Kunststoff eingepackt werden? Kunststoffe wie Styropor und Mineralwolle sind leicht zu verarbeiten, preiswert und haben gute Dämm- und Brandschutzeigenschaften. Deshalb kommen sie so häufig zum Einsatz. Der Nachteil ist, dass sie  energieintensiv sind in der Herstellung, gesundheitsschädlich und schlecht recycelbar. Außerdem heizt sich insbesondere Mineralwolle im Sommer stark auf, so dass man im Winter zwar eine Dämmung hat, im Sommer aber wie im Backofen sitzt.

Dabei gib es eine Alternative, die ebenfalls preiswert ist und gut zu verarbeiten und dazu einfach herzustellen, natürlich abbaubar und atmungsaktiv.
Nämlich Stroh. Stroh fällt in großen Mengen bei der Getreideernte an. Stroh dämmt hervorragend, lässt aber gleichzeitig einen Feuchtigkeitstransport zu, was für ein gutes Raumklima sorgt. Zu dichten Strohballen gepresst und in Verbund mit einem Lehmputz und einem überstehenden Dach, ist Stroh nicht anfälliger für Witterung oder Brand als Kunststoffe. Und falls das Haus einmal abgerissen werden muss, lässt sich Stroh einfach kompostieren. Es ist ein sehr alter Dämmstoff. Aber Dank neuer technischer Möglichkeiten, wird sein ganzes Potential heute erforscht und dokumentiert.

Am 15.06.2022 war ich zu Besuch im Norddeutschen Zentrum für nachhaltiges Bauen in Verden an der Aller. Das Zentrum bietet Kurse an, in denen das Bauen mit Stroh und Lehm praktisch vermittelt wird. Mit Stroh, Lehm und Holz bauen ist nicht schwierig, aber es braucht doch handwerkliches Können, Wissen und Erfahrung - auch über die Fehler, die passieren können. Meine Erfahrung nach dem Workshop-Tag ist: Es ist schwieriger, die Vorurteile gegenüber den Baumaterialien Stroh und Lehm aus dem Weg zu schaffen als damit zu bauen.

Dass es möglich ist zeigt der fünfstöckige Neubau des Zentrums, der 2014 aus Holz, Lehm und Stroh gebaut wurde. Das Gebäude hat Passivhausstandard und wird mit einer Kombination von Solar-Luftabsorbern, Eisspeicher und Wärmepumpen mit Energie versorgt. In der Ausstellung kann sich der Besucher über alles informieren.

Ich werde mich dafür einsetzen, dass sich die Idee, Häuser mit Strohballen zu dämmen, auch in Berlin verbreitet. Um ein Haus mit Stroh zu dämmen, wird das Stroh, zu Ballen gepresst, entweder direkt an der Hauswand angebracht oder mithilfe einer Holzrahmenkonstruktion aufgeschichtet. Für drei- bis vierstöckige Häuser ist das auch in Berlin machbar. Das Wissen ist da, aber es braucht auch die Menschen, die es umsetzen.


Workshophalle am Norddeutschen Zentrum für nachhaltiges Bauen


Holzrahmen mit Strohballen


ein Haufen Stohballen

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... und Lehm


Die Strohballen müssen gut an der Wand anliegen


Michael Burchert vom NZNB erklärt uns den Aufbau des Lehmputzes


An dieser Wand kann man das Verputzen mit Lehm ausprobieren.


Ein ganzes Haus aus Holz, Stroh und Lehm - der Neubau des NZNB.


Strohdämmung mit Holzrahmenkonstruktion.


Lehmputz innen und Kalkputz außen.


In der Ausstellung werden u.a. verschiedene Dämmstoffe auf Hitzeentwicklung im Innenraum bei Sonnenschein getestet: Mineralwolle erwärmt sich nach wenigen Minuten von 21 grad auf über 30 grad Celsius, Stroh mit Lehmputz nur auf 22 grad.


Kollektoren auf dem Dach.


Schadhafte Stellen im Putz müssen ausgebessert werden. Daher kommt der "Früjahrsputz"


Verschiedene Lehmputze wurden untersucht. Die beste Mischung kam dann zum Einsatz.

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